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Eine Natur ohne Plastik

Der Allgäuer Verein Patron Plasticfree Peaks, der auch beim Fjällräven Classic Germany präsent sein wird, veranstaltet Müllsammelaktionen in den Bergen und hat ein nachhaltiges Produkt entwickelt, mit dem sich Verpackungsmüll vermeiden lässt. Mitgründer Martin Säckl erläutert im Interview, wie Kunststoffe aus der Natur verschwinden sollen – und was du dazu beitragen kannst.

Martin Säckl und Raphael Vogler aus Pfronten im Allgäu kennen sich aus Studienzeiten – Martin studierte Technische BWL mit einem Master u. a. in Kreislaufwirtschaft, Raphael Produktdesign. Mit Patron Plasticfree Peaks haben sie eine Community aufgebaut, die sich einem Ziel verschrieben hat: Die Natur von Plastik zu befreien.

Martin Säckl möchte mit seinem Verein Patron Plasticfree Peaks die Natur von Plastik befreien. Foto: Privat.

Martin, erkläre unseren Leser:innen doch bitte, was Patron Plasticfree Peaks ist.

Martin Säckl: Raphael und ich haben den Verein 2018 in der Endphase unseres Studiums gegründet. Was wir heute machen, ist der Outcome unserer idealistischen Vorstellungen, die wir im Studium hatten. Wir haben uns damals die drei Pfeiler „Act, Create, Educate“ erarbeitet. Das bedeutet erstens, dass man aktiv handelt und anderen die Möglichkeit gibt, mitzumachen. Hierzu haben wir die CleanUP DAYS entwickelt. Das „Create“ kommt daher, weil Produktdesign uns megaviel Spaß macht. Daraus ist die Patron Brotzeitbox entstanden. Die dritte Säule ist noch im Aufbau, aktuell veranstalten wir im Bereich „Educate“ Schul-Workshops zu Themen wie Circular Economy.

Was bedeutet der Name des Vereins?

Wir haben bei uns hier in den Allgäuer Bergen angefangen und wollten dazu beitragen, dass diese plastikfrei werden – daher „Plasticfree Peaks“. Und Patron bedeutet ja „Behüter:in“. Da geht es um den Beschützerinstinkt, der uns Menschen von Natur aus gegeben ist – dass wir auf uns und unsere Umgebung aufpassen. Das spürt jeder, der in der Natur an Müll vorbeikommt und denkt: „Das gehört da aber nicht hin“.

Zu euren wichtigsten Aktionen gehören die CleanUP DAYS, was ist das genau?

Wir haben damals extrem viel Zeit draußen beim Fliegenfischen oder Bergsteigen verbracht und uns gesagt: Wir müssen etwas gegen das Plastik in der Natur tun. Dann haben wir erste kleine Events zum Müllsammeln gestartet. Wir haben aber schnell gemerkt, dass das nicht ausreicht, und beschlossen, eine Bewegung zu starten. Wir wollten eine möglichst große Plattform schaffen, zu der alle einen Zugang finden.

Nach Pausen sollte man keinerlei Abfall in der Natur hinterlassen. Bild: Patron Plasticfree Peaks | © Lena Everding Photo

Wie kann man sich diese Plattform vorstellen?

Raphael und ich haben die CleanUP MAP entwickelt. Dort kann man sich anmelden, wenn man seinen Happy Place saubermachen will. Uns war es wichtig, dass sich die Menschen aus intrinsischen Beweggründen anschließen – und Müll stört einen ja besonders an Orten, zu denen man eine persönliche Bindung hat. Wir wollten sehen, wie überall auf der Karte die „P“s für Patron aufploppen. Wir hofften, dass es eine Eigendynamik annimmt und die Leute ihre Aktion auf Social Media stellen oder auf die Karte schauen, um sich einer Aktion in ihrer Nähe anzuschließen. Die Map hat es uns ermöglicht, dass wir Monat für Monat größer werden. Um das Ganze noch weiter zu verbreiten, haben wir 2019 mit den CleanUP DAYS angefangen, mittlerweile die CleanUP TOUR. Dieses Jahr haben wir schon neun große Tourstopps fix, zum Beispiel im Schwarzwald, am Bodensee, im Montafon, in Südtirol und sogar auf Sylt.

Habt ihr einen örtlichen Schwerpunkt für eure Aktivitäten?

Dort, wo wir zu Hause sind – der Alpenraum ist auf jeden Fall unser Kerngebiet. Dort gibt es auch keine vergleichbare Organisation außer den Alpenvereinen, die das aber nicht als Schwerpunkt haben. Wir wollen den kompletten Alpenhauptkamm clean machen. Und dann soll er aber auch clean bleiben.

 „Den kompletten Alpenhauptkamm clean machen“: Martin Säckl will die Schönheit der Natur bewahren – im Allgäu und den gesamten Alpen. Bild: Patron Plasticfree Peaks | © Lena Everding Photo

Wo genau liegt das Problem mit Plastik – was macht es mit der Natur und der Tierwelt?

Das Problem ist eigentlich der Umgang mit Kunststoff; Kunststoff für sich genommen ist kein schlechtes Material. Er hat super Eigenschaften – er ist zum Beispiel langlebig und sehr gut formbar. Solange er im technischen Kreislauf bleibt, kann man ihn auch sehr gut recyceln. Das Problem für die Natur und uns Menschen entsteht dann, wenn Plastik diesen Kreislauf verlässt und in den biologischen Kreislauf eindringt. Dort kann es nicht komplett zersetzt werden und wird für immer da sein – außer der Mensch kommt und entnimmt es wieder. Bleibt es in der Natur, zerfällt es in Mikroplastik. Dieses dringt überall auf der Welt, auf den letzten Gipfeln und Meeren, in die Nahrungskette ein. Jeder kennt ja die Bilder von verendeten Vögeln oder Fischen, die den Magen voller Plastik haben. Das ist auch bei uns hier im Allgäu Realität.  

Ihr habt auch ein eigenes Produkt entwickelt, den Patron. Was ist die Idee dahinter?

Die Idee stammt von zwei Studenten, die nichts Besseres zu tun hatten, als sich ihr eigenes Equipment zu überlegen (lacht). Wir wollten damals ausprobieren, ob wir ein Produkt, das wir selbst gerne haben wollen, auf den Markt bringen können. Daher kamen wir auf die Idee einer Brotzeitbox aus Edelstahl, die in Europa hergestellt wird und deren Holzdeckel man auch als Schneidebrett verwenden kann, indem man ihn an den Oberschenkel schnallt. Der Grundgedanke ist, die Leute dazu anzuregen, ihre Lebensmittel frisch einzukaufen, sie am Berg aufzuschneiden und eine entschleunigte Brotzeit zu einem Erlebnis zu machen – alles ohne Verpackungsmüll.

Für die Idee habt ihr 2018 den Allgäuer Gründerpreis erhalten. Wie habt ihr sie dann umgesetzt?

Nachdem wir den Prototypen entwickelt hatten, gingen wir auf die Suche nach einem europäischen Produzenten. Das war gar nicht so einfach. Schließlich sind wir in Italien bei einem Hersteller hochwertiger Küchenartikel fündig geworden. Daraufhin haben wir ein Crowdfunding gestartet und hatten schließlich 1000 Bestellungen. Also mussten wir schnell Produktion, Kommissionierung und Versand aufbauen. Damals haben wir die Deckel noch selbst gefräst und alles selbst verpackt. Wir haben dazu die Nachbarn zusammengetrommelt, damit sie uns helfen. An dem Abend, als wir alles versendet hatten, musste ich mich noch acht Stunden hinsetzen und meine Masterarbeit beenden. Inzwischen arbeiten wir für die Produktion der Schneidbretter und den Versand mit der Lebenshilfe Donau-Ries zusammen.

„Everyday is Clean-up Day“: Das Nachtcamp sollte man beim Fjällräven Classic Germany sauberer hinterlassen, als man es vorgefunden hat. Bild: Patron Plasticfree Peaks | © Lena Everding Photo

Stichwort Zusammenarbeit: Was ist eure Mission beim Fjällräven Classic Germany?

Ich glaube, dass hier zwei Visionen zusammenkommen, die sehr ähnlich sind, was Nachhaltigkeit betrifft. Natürlich ist Fjällräven viel größer. Aber das Ziel ist es, unsere beiden Communities zu verbinden und den Gedanken von Plasticfree Peaks spürbar zu machen. Jeder Mensch, der zusätzlich mit aufräumt, ist ein Mehrwert für die Natur. Wir freuen uns sehr über solche Partner wie Fjällräven, die das gleiche Problem sehen, mit anpacken und uns ihre Reichweite zur Verfügung stellen.

Wie kam es zu der Partnerschaft mit Fjällräven?

Es gab schon beim letzten Fjällräven Classic Germany Anknüpfungspunkte und wir hatten dann ein super Gespräch miteinander. Es war schnell klar, dass wir etwas zusammen machen. Der Fjällräven Classic ist einfach die perfekte Plattform, weil man gemeinsam draußen ist und auf sich und seine Umwelt achtet.

Was habt ihr beim Fjällräven Classic Germany konkret vor?

Wir werden bei Campfire Talks von unserer Geschichte und Mission erzählen. Dabei werden wir natürlich auch alle einladen, zu den CleanUP DAYS zu kommen. Aber Ziel ist es, ein Bewusstsein von „Everyday is Clean-up Day“ zu vermitteln und natürlich Müll zu sammeln. Alle Teilnehmer:innen erhalten dafür die Fjällräven Trash Bags, die es schon sehr lange gibt. Wir werden sozusagen als Sprachrohr mit anpacken, und einige aus unserem Team werden mitlaufen. Außerdem nehmen wir unsere Community virtuell mit und zeigen ihr, was beim Fjällräven Classic passiert.

Alle Wanderinnen und Wanderer erhalten beim Fjällräven Classic Germany eine Trash Bag, um unterwegs Müll aufzusammeln.

Hast du Ratschläge für die Teilnehmer:innen des Fjällräven Classic, wie sie in der Vorbereitung auf den Event Verpackungsabfall vermeiden können?

Da hätte ich einen sehr guten Tipp: eine Brotzeitbox mitnehmen (lacht)! Und alles, was Verpackungsmüll hat, zu Hause lassen – beziehungsweise sowieso möglichst wenige Gegenstände mitnehmen. So etwas wie Sonnencreme sollte man an einem fixen Ort unterbringen, wo man sie nicht verlieren kann. Ein weiterer Tipp ist die mentale Vorbereitung – dass man sich bewusst macht, warum man überhaupt an dem Ganzen teilnimmt. Also wenn ich zum Beispiel bei einem Müllsammelevent mitmache, sollte ich nicht passiv bleiben und warten, bis es vorbei ist, sondern mit anpacken.

Und worauf sollte man während des Fjällräven Classic achten?

Natürlich Augen offenhalten und Müll in der Trash Bag sammeln. Es kommt aber nicht darauf an, dass man möglichst viel findet, es geht auch nicht um möglichst schockierende Funde wie Autoreifen oder Kühlschränke. Es zählt wirklich jeder kleine Fetzen. Auf der anderen Seite sind die Leute manchmal enttäuscht, dass sie nicht so viel finden. Dann sage ich ihnen immer: „Ist doch geil, ist doch erfreulich, wenn die Natur sauber ist!“

Was kann man noch machen?

Alles dokumentieren und teilen. Das muss kein Livechannel sein – man will ja während der Wanderung offline bleiben. Aber wenn man die Möglichkeit hat, das Müllsammeln zu dokumentieren und später einen Erfahrungsbericht auf seinem persönlichen Netzwerk zu schreiben, hat das großen Impact. Es geht nicht darum, einen Wettbewerb zu veranstalten, wer am meisten Müll sammelt. Wichtiger ist, dass möglichst viele mitmachen und die Message weiterverbreiten.

Welche weiteren Pläne habt ihr mit eurem Verein?

Wir haben eine Zahl im Kopf: Wir wollen 100.000 Menschen erreichen und zur Teilnahme an den CleanUP DAYS aktivieren. Das ist natürlich eine große Aufgabe. Und wir wollen, dass dieser Patron-Spirit wirklich im ganzen Alpenraum spürbar ist – dass jede Destination mitmacht und jeder Tourismusverband Informationen dazu herausbringt. Uns ist es wichtig, Gäste und Gastgeber zu vereinen, nach dem Motto: Es ist egal, wo du herkommst – sobald wir in die Natur gehen, sind wir alle gleich und für sie verantwortlich.

Dazu wünschen wir euch alles Gute – danke für das Interview!

Die zehn Patron-Leitideen

Patron Plasticfree Peaks hat zusammen mit der Albrecht von Dewitz Stiftung und Outdooractive zehn Leitideen erarbeitet – gültig für die CleanUP DAYS, Wanderungen wie den Fjällräven Classic Germany und jeden Tag dazwischen:

01. Die Reise beginnt
Ich achte bewusst darauf, umweltverträglich anzureisen, z. B. mit dem Fahrrad oder dem Zug.

02. Mit Sicherheit am Berg
Ich achte auf meine Sicherheit und respektiere meine Grenzen sowie die meiner Gruppe.

03. Ein selbstverständlicher Handgriff
Egal, ob von mir oder von dir: Wenn ich Müll finde, nehme ich ihn selbstverständlich mit.

04. Gemeinsam geht was
Ob alt oder jung: ich bin verantwortlich wie jede:r andere auch.

05. Das richtige Werkzeug
Ich packe meinen Rucksack und nehme mit: Einen Müllbeutel, eine Zange oder ein paar Handschuhe, um mich und mein Equipment zu schützen.

06. Auf dem richtigen Weg
Ich bleibe auf den ausgewiesenen Wegen und achte auf Flora und Fauna – ganz besonders in Schutzgebieten, Jungwuchs-Bergwald o. ä.

07. Sauber bleiben
Ich achte auf meine Gesundheit und vermeide den Kontakt mit unhygienischem oder giftigem Müll.

08. Entsorgung ohne Sorgen
Ich nehme den Müll mit und entsorge Gefundenes fachgerecht.

09. Gutes tun und darüber reden
Ich dokumentiere und teile meine Funde, um andere zum Handeln zu inspirieren. Zum Beispiel im Gespräch oder auf Social Media – Hashtag #plasticfreepeaks

10. Die Reise geht weiter
Müll sammeln ist ein Anfang. Ich freue mich darauf, mehr zu erfahren und einen Teil zum Erhalt und Schutz unserer natürlichen Umwelt beizutragen!

Weitere Infos unter www.plasticfreepeaks.com

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